pETe! schrieb:Das ist keine formal hergeleitete Berechnung des Ingenieurswesens, sondern höchstens Fachoberschulniveau. Wie ich finde aber recht verständlich. Die "grobe Auswirkung" der Werte im Spiel hat Eddi dir ja schon weiter oben genannt. Eine einfache Formel mit nur zwei Variablen scheint es dann wohl nicht zu geben, so wie es aussieht, ist es auch schwierig, das oben genannte noch zu nähern.
Gut möglich, Eddi ist ja weder Physiker noch Ingenieur.
Aber um dem OP zu helfen (und zu Archivzwecken) ist wohl wieder etwas ganz bodenständige Erste-Klasse-Physik vonnöten ... also hier mal kurz die grundsätzlichen Begriffe ins Gedächtnis gerufen:
1) "Kraft" ist die Ursache für die Änderung des Bewegungszustands eines Körpers (Newton, der war nicht nur gläubiger Christ und Börsenspekulant, sondern auch Mathematiker/Physiker/Astronom
). Ohne äussere Krafteinwirkung verharrt ein Körper also im Zustand der Ruhe oder der geradlinig gleichförmigen Bewegung. "Kraft" ist eine vektorielle Grösse, d.h. sie hat (bzw kann) verschiedene Werte bzgl der räumlichen Dimensionen (annehmen).
Das zweite Newton´sche Gesetz verknüpft (bzw leitet sie her) die "Kraft" mit dem "Impuls". Dieser ist definiert als die vektorielle Summe der Produkte der Punktmassen m_i eines Körpers und ihrer Geschwindigkeiten
v_i:
p = m_i * v_i. Die "Kraft" ist nun definiert als die erste zeitliche Ableitung des "Impulses":
F_i = d
p_i / dt, bzw unter Berücksichtigung der "Beschleunigung" (die erste zeitliche Ableitung der Geschwindigkeit:
a = d
v / dt):
F = m *
a.
Um die Geschwindigkeit eines Körper zu ändern (beschleunigen, bremsen) muss "Impuls" übertragen werden (der "Impuls" ist eine "Erhaltungsgrösse" die aus der Homogenität des Raumes folgt[*]), und dieser pro Zeiteinheit übertragene Impuls wird als "Kraft" bezeichnet.
2) Die "Arbeit" einer Kraft längs der endlichen Wegstrecke s einer Bahnkurve auf der sich der Angriffspunkt dieser Kraft verschiebt, ist bei konstanter Kraft das Produkt aus dem Betrag des zurückgelegten Wegs und der Komponente der Kraft in Richtung dieses Wegs. D.h., "Arbeit" ist das skalare Produkt aus Kraft und Weg. -> W =
F *
s
3) Die "Leistung" einer Kraft ist die erste zeitliche Ableitung der "Arbeit", bzw das skalare Produkt dieser Kraft und der Geschwindigkeit mit der sich ihr Angriffspunkt auf der Bahnkurve verschiebt: P = dW / dt ->
F * d
r / dt ->
F *
v
Damit sollten eigentlich alle Fragen beantwortet sein.
[*] s.
http://de.wikipedia.org/wiki/Noether-Theorem
Ewek schrieb:Komischerweise ist bei der einen Dieseldoppellock die Höchstgeschwindigkeit 201 km/h bei geringerer PS-Zahl, als bei einer elektrischen Lok, die nur 177 km/h schnell wird.
Diese Zahlen sind ohne Bedeutung, die hat einfach jemand so angegeben.
Die "Zugkraft" die eine Lokomotive am Zughaken ausübt wird (bei Diesel- und Elektroloks) hauptsächlich durch die "Leistung" der Fahrmotoren bestimmt, sie hängt aber auch von der Haftreibung Rad/Schiene ab, die von der Reibungslast[*] der Lok und dem angenommenen Haftreibungsbeiwert (abhängig vom Schienenzustand: trocken, gesandet, nass, glitschig, vereist, ..., aber auch von der Geschwindigkeit) beeinflusst wird.
Bei Einzelachsantrieb muss man zusätzlich beachten dass die einzelnen Achsen recht unterschiedlich belastet sein können (zB beim Anziehen eines schweren Zuges werden die vorderen Achsen weniger stark belastet als die hinteren, -> Kippmoment) und daher unter Umständen auch nur niedrigere Kräfte übertragen können (-> Achslastausgleich).
[Nebenbei bemerkt: Die maximale Haftreibung wird bei Dampfloks übrigens wesentlich schlechter ausgenutzt wegen der dort aufgrund sich ständig ändernder Kolbenkräfte schwankender Zugkraft. Übrigens lässt die Leistung einer Dampflok auch im oberen Geschwindigkeitsbereich unverhältnismässig schnell nach, aufgrund der starken Drosselung des Dampfs in den Dampfkanälen, ein Effekt der im Spiel nicht modelliert wird und dadurch die Dampfloks generell überbewertet. Diesbzgl könnte man das Modell leicht erweitern, WIMRE wurde das nebenan vor längerer Zeit bereits diskutiert.]
[*] Der Kraft die die angetriebenen Radsätze auf die Schiene ausüben, bzw die Summe der Achslasten der angetriebenen Achsen.
Die erreichbare "Höchstgeschwindigkeit" hängt nicht allein von der zur Beschleunigung zur Verfügung stehenden Motorkraft ab, sondern wesentlich auch von anderen technischen Randbedingungen, zB der Getriebeübersetzung. Güterzugloks haben zB immer eine niedrigere Getriebeübersetzung als Reisezugloks, sodass bei ersteren mehr Zugkraft bei kleinerer Geschwindigkeit zur Verfügung steht, und bei einer Reisezuglok umgekehrt, also eine höhere Geschwindigkeit bei niedrigerer Zugkraft. Desweiteren ist auch die Höchstgeschwindigkeit zulassungsmässig begrenzt. Jede Lok kann, technisch gesehen, eine höhere Geschwindigkeit erreichen als diejenige Geschwindigkeit die zB in Wikipedia als "Höchstgeschwindigkeit" eingetragen ist. Diese ist
nicht die höchste Geschwindigkeit die die Lok aufgrund ihrer Leistung erreichen kann (s.a. Eddis Beitrag).
Ewek schrieb:Beschleunigen tut aber die elektrische Lok besser, obwohl die Zugkraft der Diesellok deutlich höher ist. Müsste dann die Beschleunigung der elektrischen Lok stärker abnehmen, als die der Diesellok, wenn man viele Anhänger dranmacht? Oder wirkt sich die Zugkraft dann wirklich nur bei Anstiegen aus
Zugkraft ist sowohl in der Ebene als auch in der Steigung erforderlich, dort allerdings in erheblich anderer Grössenordnung, da hier zusätzlich die Hangabtriebskraft (Erdbeschleunigung * sin(Steigung)) zu überwinden ist:
- In der Ebene ist lediglich die (recht kleine) Reibung Rad-Schiene zu überwinden[*]. Also zB bei einem Haftreibungskoeffizient von 0,35µ (Stahl/Stahl, trocken) bräuchte man eine Kraft von 35 N(ewton) um eine Masse von einer Tonne zu bewegen.
[*] abgesehen von innerer Reibung, Luftwiderstand, Bahnwiderständen, etc
- Für die Bewegung derselben Masse in einer Steigung braucht es aber eine
zusätzliche Kraft von 9,81 N pro Promille (zB 30‰, also 3m Höhendifferenz pro 100m Strecke = 0,3).
Dieser zusätzliche Kraftbedarf für die Steigung ist wesentlich grösser als die Kraft die allein für die Bewegung in der Ebene benötigt wird. Für eine Zugmasse von 800 Tonnen ergäbe sich:
in der Ebene: 800 (Tonnen) * 35 (N) = 28.000 N
für die Steigung: 800 (Tonnen) * 30 (‰) * ~10 (N) = 240.000 N
Summe: 28.000 N + 240.000 N = 268.000 N -> 268 kN
Will man diese Zugmasse nun mit 60 km/h die Steigung hinaufbewegen, bräuchte man eine Leistung von
P = F * v, also:
P = 268 kN * 60 km/h = 268 kN * 16,66 m/s = 4466 kW[*]
[*] s.
http://www.tt-forums.net/viewtopic.php?p...cf#p751674
Für die Ebene aber würde bereits eine Lokleistung von
P = 28 kN * 60 km/h = 28 kN * 16,66 m/s = 466 kW
ausreichen.
In der Praxis (nicht im Spiel) muss man die Rechnung genauer ausführen, denn normalerweise ist ja nur die Lok angetrieben, aber nicht die Wagen. Man muss also für die Lok die speziellen Fahrwiderstände (Bahnwiderstand, Steigungswiderstand, Krümmungswiderstand, Beschleunigungswiderstand, Luftwiderstand) berücksichtigen, und für die Wagen modifizierte Fahrwiderstände anwenden.
Eddi schrieb:[...] "Anfahrzugkraft" und "Dauerzugkraft", "Stundenleistung" und "Dauerleistung" etc.
Der grosse Vorteil von Elektromotoren ist dass sie kurzzeitig sehr stark überlastet werden können. Da die Zugkraft direkt von der Leistung abhängig ist (s.o.), kann zum Anfahren kurzfristig auch eine sehr hohe Anfahrzugkraft (optimalerweise bis zur Grenze der Haftreibung) genutzt werden. Bei Dampfloks dagegen hängt die Anfahrzugkraft (abgesehen von Abmessungen der Dampfmaschine und der Reibungslast) von der Leistungsfähigkeit des Kessels ab, die schon aus ökonmischen Gründen begrenzt ist (man bräuchte den leistungsfähigeren Kessel lediglich zum Anfahren).
Als "Stundenleistung" bezeichnet man diejenige Leistung die eine elektrische Maschine (Elektromotor, Transformator) vom kalten Zustand ausgehend eine Stunde lang erbringen kann, ohne sich unzulässig zu erwärmen. Die "Dauerleistung" hingegen kann beliebig lange erbracht werden ohne eine unzulässige Erwärmung. Die Dauerleistung würde dann auch die "Dauerzugkraft" bestimmen.
Gruß
Michael